Kärnten: Arbeiten am Begegnungspunkt von Landschaft und Wandel
Kärnten liegt nicht nur geographisch irgendwo zwischen Alpenkulisse und Adria-Sehnsucht – es steht auch arbeitsmarkttechnisch an einem eigentümlichen Scheideweg. Man könnte meinen: Provinz mit Aussicht, aber eben auch mit eigensinnigen Verhältnissen. Wer hier, als Berufseinsteiger:in, wechselbereite Fachkraft oder schlicht Suchende:r nach einer frischen Perspektive Fuß fassen will, stolpert zwangsläufig über eine spannende Mischung aus Gemütlichkeit, Fachkräftemangel und unterschätztem Fortschritt. Ehrlich gesagt: Wer nur Zahlenreihen will, könnte an anderer Stelle glücklich werden. Wer aber wissen will, wie diese Region tickt – und warum sie, wider Erwartung, durchaus reizvolle Chancen bietet –, sollte sich ihr abseits der touristischen Klischees annähern.
Branchen, die den Ton angeben – aber nicht im Gleichschritt
Worauf trifft man hier zuerst? Nun – Industriegrößen wie Infineon im südlichen Villach, einer der eigentlichen Hidden Champions Europas im Bereich Halbleiter. Dahinter, etwas abseits der großen Scheinwerfer: Holz- und Papiergewerbe (man denke an Mondi, Fundermax oder Hasslacher). Der Tourismus – ohnehin das ewige Sommermärchen am Wörthersee – ist ein eigener Kosmos, samt Menschen, die selbst im November noch von der „Lage am See“ schwärmen. Was aber auffällt: Der Arbeitsmarkt ist überraschend vielschichtig. Zwar dominiert, wie eh und je, das produzierende Gewerbe mit gut dotierten Technik-Jobs (Einstiegsgehälter hier: durchaus solide 2.800 € bis 3.400 €, je nach Qualifikation und Mut, sich mit Automatisierung auseinanderzusetzen). Doch daneben entstehen gerade neue Inseln digitaler Dienstleistungen, Umwelttechnologien und Kreativbranchen – klein, aber irgendwo revolutionär. Da sind junge Start-ups im Bereich Green Tech gleich neben traditionsreichen Maschinenbauern, die noch immer so solide wirken wie ein Kärntner Bauernhaus nach dem Winterschnitt.
Zwischenversprechen: Fachkräftemangel, aber nicht überall
Wer mit dem Sprichwort „gesucht und nicht gefunden“ in Kärnten die Jobsuche beginnt, hat weder ganz recht noch völlig unrecht. Die Unternehmen klagen – überraschung! – über zu wenig Fachkräfte, besonders im IT-Sektor und (wen wundert’s) in der Pflege. Klingt wie aus dem Lehrbuch der österreichischen Beschäftigungsstatistik, aber hier ist es greifbarer. An manchen Tagen, etwa beim Bäcker in Spittal, erzählt einem die Verkäuferin mit trockenem Südakzent, dass ihre Tochter trotz Wirtschaftsmatura keinen Job fand. Um die Ecke dagegen sucht ein Produktionsleiter seit Monaten händeringend nach qualifiziertem Personal. Es ist keine Gleichverteilung, sondern lokale Tendenz: In den Bezirken rund um Villach und Klagenfurt gibt es solide Chancen, im südlichen Grenzgebiet oder im ländlichen Oberen Drautal wird’s schon haariger. Auch die Gehälter oszillieren: In Hightech-Jobs sind 3.000 € bis 4.200 € für erfahrene Kräfte drin, in der klassischen Verwaltung muss man sich eher in Richtung 2.200 € orientieren – regionales Gefälle inklusive.
Leben und Lernen – Weiterbildung zwischen Alm und Algorithmus
Was fällt einem auf, wenn man nicht nur von Arbeit, sondern von Entwicklung spricht? In Kärnten wächst gerade eine eigene Weiterbildungslandschaft heran: Die Universität Klagenfurt und die Fachhochschule Kärnten erleben einen kleinen Innovationsschub, Digitalisierung ist hier kein bloßes EU-Programm. Unternehmen investieren – mal mehr, mal weniger freiwillig – in gezielte IT-Weiterbildungen, die berufsbegleitend auch für Quereinsteiger:innen durchaus zugänglich sind. Und das lockt, ehrlich gesagt, sogar jene an, die sich zwischen Arbeitsmarkt und Seenlandschaft nicht so recht entscheiden konnten. Klingt romantisch, aber: Wer hier investiert, kann sein Jobprofil rasch verbessern. Ein Praxisbeispiel? Ein Techniker in Villach, den ich vor vier Jahren noch an der Werkbank traf, leitet heute ein Entwicklerteam – Weiterbildung sei Dank. Ob das kalkuliert wurde oder Zufall war? Die Frage bleibt, doch das Ergebnis überzeugt.
Atmosphäre, Alltagslogik und der Faktor „Kärnten“
Viele machen den Fehler, Kärnten arbeitsmarktpolitisch auf die leichte Schulter zu nehmen – als sei die Hauptkompetenz der Region das Ziehen von Urlaubsgästen. Ich behaupte: Es ist mehr dran. Die Betriebe sind, im Schnitt, kleiner als in Wien oder Linz, was nicht selten bedeutet, dass man schneller Verantwortung übernehmen darf (oder muss – je nach Perspektive). Der Entscheidungsweg? Manchmal so kurz wie der Spaziergang zum nächsten Kaffeehaus – angenehm, aber eben nicht immer vorhersehbar. Kollegen grüßen beim Billa noch nach Feierabend, man tauscht sich auf dem Wochenmarkt in Feldkirchen über neue Förderungen aus – so wird Arbeit eben schnell persönlich, mit allem Komfort und allen Ecken. Für Berufseinsteiger:innen nicht ganz ohne, aber: Wer Initiative zeigt, bekommt oft mehr als einen Fuß in die Tür. Und der gefürchtete Fachkräftemangel führt dazu, dass sich selbst traditionsbewusste Betriebe offener geben als ihr Ruf vermuten lässt.
Fazit? Kein Allerweltsterrain, aber eine Region mit Potenzial
Ehrlich: Der Kärntner Arbeitsmarkt ist keine Startrampe für alle. Nicht jeder Beruf blüht auf, nicht jeder Wunsch nach fetter Gehaltssteigerung erfüllt sich im ersten Anlauf. Aber: Die Mischung aus wachsenden Leitbranchen, unerwartet guter Weiterbildungsinfrastruktur und gelebter Arbeitsnähe sorgt für eine eigentümliche Dynamik. Wer lernen will, mit regionalen Besonderheiten zu jonglieren – mal Seilbahn, mal Pendlerstau –, findet hier durchaus ein Terrain, das mehr einfordert, aber oft auch mehr gibt. Vielleicht mag ich mich täuschen, vielleicht sieht das jemand ganz anders. Doch wenn ich den Arbeitsmarkt Kärntens beschreiben müsste: kein glatt geschliffenes Parkett, sondern spannungsgeladene Landkarte – mit Potenzial, das nicht jedem sofort ins Auge springt, aber jenen, die genau hinsehen, durchaus Perspektiven bietet.